Menschen mit Behinderungen

Inklusion im Regierungsprogramm:

Fortschritte für Menschen mit Behinderungen geplant

Die neue Regierung will weitere Schritte bei Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen setzen: Ein einheitliches System für Persönliche Assistenz, entlohnte und sozialversicherte Arbeit in Tagesstrukturen, Änderungen bei der Einstufung von Arbeitsunfähigkeit sowie ein stärkerer Ausbau der Barrierefreiheit. Ebenso sind die dringenden Maßnahmen zur inklusiven Bildung schon sehr lange überfällig. Bessere Übergänge ins Berufsleben etwa durch eine ganztägige Betreuung in inklusiven Schulen tragen dazu bei, Bildungschancen gerechter zu verteilen.

Eine präzisere Ausgestaltung und finanzielle Ausstattung der Maßnahmen ist allerdings notwendig; gerade angesichts geplanter Einsparungen im Bundesbudgetsind Einschnitte bei laufenden Angeboten und bei der Einführung innovativer Ansätze zu befürchten.

Übersicht

Inklusive Bildung

Nimmt die Regierung bei ihren Plänen für den Bildungsbereich auch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen mit?

Regierungsprogramm
  • Eine Qualitäts- und Ausbau-Offensive für die Elementarpädagogik (Kinderbildung- und -betreuung) soll ab 2026 zusätzliche Ressourcen bereitstellen. Sie sind gekoppelt an hohe bundesweite Qualitätsstandards (mit Übergangsfristen) und Stufenpläne zur Reduktion von Gruppengrößen und zur Garantie eines ganztägigen und ganzjährigen Kinderbildungs- und -betreuungsplatzes. In diesem Kontext wird erstmals auch von inklusiver Bildung gesprochen.
  • Ein Rechtsanspruch auf das 11. und 12. Schuljahr soll verhindern, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu früh aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werden.
Unsere Position

Es ist positiv, dass inklusive Bildung erstmals explizit als Teil der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verstanden wird. Diesem Bekenntnis müssen jedoch konkrete Maßnahmen folgen.

So sollte etwa die Aufnahme inklusiver Kindergartenplätze in die angekündigte Ausbauoffensive klar und verbindlich formuliert werden.

Weitere Anliegen der Caritas finden sich im Regierungsprogramm wieder: der Ausbau inklusiver Kindergartenplätze, die Möglichkeit zur Ganztagsbetreuung für Kinder mit Behinderungen, die Qualifikation von Lehrkräften im Bereich Inklusion sowie der Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr.

Auf die Umsetzung der avisierten Stufenpläne werden wir genau schauen.

Was es (mehr) braucht

Noch fehlt ein Etappenplan für die Überführung von Sonderschulen in das Regelschulsystem. Der Budgetvorbehalt ab 2027 und ein möglicher Gegenstandpunkt der Bundesländer können zu Verzögerungen führen.

Zudem ist bei vielen angekündigten Maßnahmen – etwa beim sonderpädagogischen Förderbedarf, der Ganztagsbetreuung oder dem garantierten 11. und 12. Schuljahr – unklar, wie und aus welchen Töpfen sie finanziert werden sollen. Angekündigt sind bislang nur Übergangsfinanzierungen und Übergangszeiträume, es fehlt die notwendige Planungssicherheit.

Gesellschaftliche Teilhabe

Die Regierung verspricht ein einheitliches System für Persönliche Assistenz (PA) – bleibt es nur beim Versprechen?

Regierungsprogramm
  • Arbeits- und Freizeitassistenz sollen rechtlich vereinheitlicht werden, zudem ist nur noch eine zentrale Anlaufstelle für die Antragstellung und Abwicklung von PA und Hilfsmitteln vorgesehen.
  • Das Regierungsprogramm verspricht endlich einheitliche rechtliche Absicherung für Persönliche Assistentinnen und Assistenten. Das betrifft die Klärung von Qualifikation und Berufsbild, klare Kompetenzen sowie Rechte und Pflichten.
Unsere Position

Die Persönliche Assistenz in ein bundeseinheitliches System zu überführen, ist seit Langem überfällig. Die Persönliche Assistenz ist – gekoppelt an Maßnahmen zu Qualifikation, selbstbestimmtem Wohnen und Arbeitsmarktinklusion – der Schlüssel für umfassende gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit allen Behinderungsformen.

Was es (mehr) braucht

Wie bei vielen anderen Punkten fehlt auch hier die mittel- bis langfristige Sicherstellung der Finanzierung des bisher budgetär befristeten Modells für Persönliche Assistenz (samt Arbeitsbedingungen für Assistenzleistende) unter Einbezug aller Länder. Ohne klare finanzielle Zusagen besteht die Gefahr, dass die Umsetzung scheitert. Der Budgetvorbehalt verschärft diese Unsicherheit zusätzlich.

Inklusive Arbeitswelt

Die Entscheidung für das Prinzip „Lohn statt Taschengeld“ ist vielversprechend. Aber scheitert es schon bei der Finanzierung von Pilotprojekten?

Regierungsprogramm
  • Erstmals findet das Prinzip „Lohn statt Taschengeld“ Eingang ins Regierungsprogramm. Damit verbunden wäre eine volle sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Menschen mit Behinderungen – auch und besonders im Alter. Aktuelle Pilotprojekte hierzu sollen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.
  • Die Arbeit von Menschen mit Behinderungen soll arbeitsrechtlich gewürdigt, die Integration in den ersten Arbeitsmarkt verstärkt werden. Hierbei können auch die Möglichkeiten der Teilerwerbstätigkeit geprüft und beispielsweise chronische Krankheiten besser berücksichtigt werden.
  • Die Reform der Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitssuchende könnte auch Menschen mit Behinderung treffen – Ausnahmeregelungen sind derzeit nur für ältere Langzeitarbeitslose geplant.
Unsere Position

Die Aufnahme des Prinzips „Lohn statt Taschengeld“ ist ein wichtiger Fortschritt. Wichtig wäre darüber hinaus die rechtliche Anerkennung von Teilerwerbstätigkeit – also stundenweisem Arbeiten –, da erst diese vielen Menschen mit Behinderungen realistische Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht.

Im Bereich des Zuverdiensts braucht es explizite Ausnahmeregelungen für Menschen mit Behinderungen: Sie sind deutlich häufiger und länger von Arbeitslosigkeit betroffen. Eine Streichung des Zuverdienstes würde nicht nur ihre Existenz gefährden, sondern v.a. ihren niederschwelligen Zugang zum Arbeitsmarkt zusätzlich erschweren.

Besonders problematisch wäre die mögliche Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf die Sozialhilfe für Menschen mit Behinderungen. Sollte es dazu kommen, wäre das eine massive Verschlechterung ihrer Lebenssituation und würde die Armutsgefährdung deutlich erhöhen.

Was es (mehr) braucht

Pilotprojekte inklusive Arbeit bleiben ein prekärer Ansatz, solange sie nicht in eine Regelfinanzierung überführt wurden; in spätestens zwei Jahren werden die aktuellen Mittel aufgebraucht sein. Für einen erfolgreichen Weg zu „Lohn statt Taschengeld“ bedarf es eines konkreten Fahrplans unter Einbezug aller Bundesländer und Organisationen von Menschen mit Behinderungen, damit die Pilotphase nicht ergebnislos verläuft.

Die Logik des Ausgleichstaxfonds (d.h. Unternehmen ‚befreien‘ sich von der Verpflichtung, Menschen mit Behinderung anteilsmäßig zu beschäftigen) sollte endlich durchbrochen werden: Es braucht ein positives Anreizsystem für Arbeitgeber*innen.

Obwohl Expert*innen seit Jahren einen Etappenplan fordern, fehlen konkrete Umsetzungsschritte bis heute.

Weitere Infos

Mehr zu unseren Forderungen an die Politik im Bereich "Menschen mit Behinderungen"