Integration, Migration, Asyl

Integration, Migration und Asyl im Regierungsprogramm:

Zweifelhafte Pläne und nur zaghafte Schritte?

Das Regierungsprogramm enthält wichtige Vorhaben und greift einige langjährige Forderungen der Caritas auf. Dazu gehören eine längerfristige Aufenthaltsperspektive für Vertriebene aus der Ukraine oder Integrationsleistungen ab dem ersten Tag. 

Andere Vorhaben erfüllen uns mit großer Sorge, weil grundlegende Menschenrechte in Frage gestellt werden: Das betrifft z.B. das Aussetzen der Familienzusammenführung oder das Ziel, die Asylanträge im Inland auf null zu reduzieren. 

Seit Jahren kritisiert die Caritas die Sprache, mit der über schutzsuchende Menschen gesprochen wird. Leider setzt sich dieser Umgang im Regierungsprogramm fort: Das Kapitel Asyl/Migration befindet sich unter der Überschrift ‚Sicherheit‘. Von Beginn an wird ein angeblicher Missbrauch des Asylsystems thematisiert und Schutzsuchende werden als potenziell sicherheitsgefährdend dargestellt. Die Chance, dass sich Österreich zu einem Zuwanderungsland bekennt, in dem Migration als wichtig und notwendig anerkannt wird und Personen Schutz erhalten und ein selbstständiges Leben führen können, bleibt erneut ungenutzt.

Übersicht:

Ukraine

Der vorübergehende Schutz für Ukraine-Vertriebene endet im März 2026: Gelingt eine langfristige Lösung?

Regierungsprogramm
  • Schaffung einer längerfristigen Aufenthaltsperspektive
  • Verstärkte Integration in den Arbeitsmarkt
Unsere Position

Es ist wichtig, dass allen ukrainischen Vertriebenen rasch eine längerfristige Perspektive in Österreich gegeben wird, die über März 2026 hinausgeht. Diese Perspektive und eine soziale Absicherung brauchen besonders vulnerable Personen - insbesondere jene, die auf Grund von Alter oder Krankheit nicht oder nicht mehr arbeiten können.

Aber auch für jene, die arbeiten können, müssen die Voraussetzungen für den Umstieg auf die Rot-Weiß-Rot- Karte plus niederschwelliger werden, damit der Umstieg, sowie eine langfristige Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt überhaupt möglich wird. 

Was es (mehr) braucht

Die Rot-Weiß-Rot- Karte plus bietet nur einer kleinen Gruppe von Vertriebenen eine langfristige Aufenthaltsperspektive. Aber auch vulnerable Personen brauchen die Möglichkeit eines Aufenthaltstitels. Genauso wie jene Vertriebenen, die gerade eine Ausbildung machen und auf Grund dessen die Anforderungen für einen Umstieg (noch) nicht erfüllen. 

Der Status quo führt dazu, dass ein großer Teil der Vertriebenen aus der Ukraine in der Grundversorgung bleiben wird – ein System, das weder auf langfristige Unterbringung noch auf Integration ausgelegt ist. Finanziell reichen die Leistungen aus der Grundversorgung für ein menschenwürdiges Leben nicht aus. Viele Vertriebene haben Schwierigkeiten ihre Grundbedürfnisse zu decken. Sie sollten daher über die Sozialhilfe besser abgesichert werden. 

Der Verbleib in der Grundversorgung hemmt zudem die Integration in den Arbeitsmarkt: Die Zuverdienstgrenzen sind so niedrig, dass eine Arbeitsaufnahme schnell den Verlust der Unterkunft bedeuten kann.

Der vorübergehende Schutz für Vertriebene aus der Ukraine ist bis März 2026 gültig. Es dauert mindestens ein Jahr bis alle gesetzlichen Grundlagen für einen neuen Aufenthaltstitel geschaffen sind. Daher muss jetzt bereits gehandelt werden! 

Grundversorgung

Sachleistungen und Bezahlkarten werden als neuer Standard festgeschrieben. Sind sie auch praktikabel, wie hoch sind die ‚Nebenwirkungen‘?

Regierungsprogramm

Ausweitung des Modells einer Sachleistungskarte

  • Definition von Mindestqualitätsstandards und Einführung eines einheitlichen Leistungskatalogs.
  • Eine optimierte Koordinierung durch eine zentrale Koordinationsstelle für Unterbringung, Betreuung und Beratung von Geflüchteten.
  • Automatische Inflationsabgeltung für Quartiergeber*innen
Unsere Position

Das bisher angewandte System der Sachleistungskarten weisen viele Schwachstellen auf und die Caritas sieht die Ausweitung als bedenklich: In vielen Alltagssituationen sind Bezahlkarten nicht praktikabel. Das betrifft etwa Märkte oder kleinere regionale Läden, die häufig nur Bargeld akzeptieren. Schulische Ausgaben (z.B. für Ausflüge) oder Deutschkurse müssen meist in bar oder per Zahlschein beglichen werden. Auch Tickets für den öffentlichen Verkehr können teilweise nicht mit der Bezahlkarte gekauft werden. Der verfügbare Betrag an Bargeld von 40 Euro ist viel zu niedrig, um diese Ausgaben zu bewältigen. 

Das Bezahlkartensystem hat eine weitere negative Folge: Es reduziert Selbstbestimmung – und damit Integration.

Positiv zu bewerten ist die Optimierung der Koordinierungsprozesse. Auch die Einführung von Mindeststandards in der Grundversorgung und die Abgeltung der Inflation für Quartiergeber*innen sind positive Aspekte. Dabei handelt es sich um langjährige Forderungen der Caritas.

Was es (mehr) braucht

Die Abgeltung der Inflation für die Grundversorgung ist richtig. Unabhängig vom jeweiligen Finanzierungsmodell sollte die Grundversorgung aber – anders als jetzt - kostendeckend finanziert werden. Alle Kosten, die Quartiergeber*innen entstehen und alle Leistungen, die direkt an Bezieher*innen ausgezahlt werden, sollten jährlich valorisiert werden.

Über die Einführung von Qualitätsstandards hinaus brauchen Personen angemessene, menschenwürdige Unterkünfte. Viele geflüchtete Menschen leiden unter traumatischen Erfahrungen und brauchen adäquate Versorgung, Beratung, Betreuung und Unterstützung. Ein umfassendes ‚Clearing‘ sollte ‘die Bedürfnisse vulnerabler Personengruppen (wie Frauen, unbegleitete Minderjährige oder LGBTIQA+ Personen) erheben, so dass ihnen adäquate Quartiere zugewiesen werden. 

Personen in Grundversorgung bekommen nur für behördliche und medizinische Termine sowie das Bringen und Abholen von Kindern während des verpflichtenden Kindergartenjahres Fahrtkosten abgegolten. Besonders im ländlichen Raum sind sie bei Wegen des täglichen Bedarfs sehr eingeschränkt, benötigen daher ein kostengünstiges Ticket für den öffentlichen Verkehr. 

Die Leistungen der Grundversorgung liegen unter dem Existenzminimum und der Armutsgefährdungsschwelle. Deshalb wäre es wichtig, die Zuverdienstgrenze anzuheben, Beihilfen im Rahmen einer AMS Maßnahme nicht anzurechnen sowie eine Übergangszeit im Quartier zu ermöglichen, sollte das Arbeitsverhältnis keinen Bestand haben. Eine bundesweite Regelung über ein ‚Schonvermögen' würde die Möglichkeit eröffnen, sich etwas anzusparen – etwa um eine Wohnungskaution zu bezahlen und in die berufliche Selbstständigkeit zu starten. 

Integrationsprogramm

Die Vorhaben zu besserer Integration sind grundsätzlich zu begrüßen. Aber erreichen sie auch die richtigen Menschen?

Regierungsprogramm
  • Einführung eines Grundmoduls zur Integration inklusive Gesundheits- und Sicherheitscheck, Grundregelkurse sowie gemeinnützige Tätigkeiten wird für alle Personen in der Grundversorgung eingeführt.
  • Ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab Tag 1 soll eine Integrationsberatung inklusive Kompetenzscreening und Deutschkurse umfassen, dazu Wertevermittlung, Grundregelkurse und gemeinnützige Tätigkeiten. Es sieht Sanktionen von Ermahnung über Leistungskürzungen bis zu Verwaltungsstrafen bei Nicht-Erfüllung des Programms vor. 
Unsere Position

Nach heutigem Erkenntnisstand würde das Programm vor allem Vertriebenen aus der Ukraine Verbesserungen bringen, anstatt alle Zielgruppen der Grundversorgung miteinzubeziehen. 

Was es (mehr) braucht

Statt die Zielgruppen für das Integrationsprogramm einzuschränken, sollten alle Personen während des Asylverfahrens Integrationsangebote nutzen können – nach der derzeitigen Methode zur Berechnung der Anerkennungswahrscheinlichkeit wären davon nämlich nur syrische Asylwerber*innen betroffen. Wichtig ist auch, dass dieses Programm den EU rechtlich vorgeschriebenen Zugang zum Arbeitsmarkt 9 Monate nach Antragsstellung nicht verdrängt.

Asylanträge 'auf null'

Das Vorhaben der Regierung gefährdet die Grundlagen unseres Rechtsstaates. Wie weit sollen die Einschränkungen des Asylrechts noch gehen?

Regierungsprogramm

Es wird das Ziel, die Asylanträge im Inland auf null zu reduzieren, verfolgt.

Unsere Position

Viele Maßnahmen im Regierungsprogramm zu Flucht & Migration betreffen Einschränkungen des Asylrechts. Der Eindruck stetig hoher oder gar wachsender Asylanträge ist aber falsch, die Zahl der Anträge ist rückläufig: von 112.000 im Jahr 2022 über 59.000 im Jahr 2023 auf 25.000 im Jahr 2024.

Um Asyl anzusuchen ist ein Menschenrecht. Nicht alle Personen, die Asyl beantragen, können Asyl oder subsidiären Schutz erhalten. Diese Tatsache ändert jedoch nichts am Recht auf ein rasches, faires und qualitätsvolles Verfahren. Andere Vorschläge wie das Aussetzen von Asylanträgen sind weder mit EU-Recht noch der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Zu diesen hat Österreich sich international verpflichtet.

Was es (mehr) braucht

Statt die Rechte von Geflüchteten zu beschneiden und die Fundamente unseres Rechtsstaates in Frage zu stellen, sollten jene Personen, die in Österreich Schutz gefunden haben, mehr und bessere Integrationsangebote zugänglich gemacht werden. 

Arbeitsmigration

Das Bekenntnis zu Österreich als Einwanderungsland bleibt weiterhin aus. Gelingen zumindest Verbesserungen beim Gewinnen von Arbeitskräften?

Regierungsprogramm
  • Mit dem Pilotprojekt Rot-Weiß-Rot-Karte für volljährige Lehrlinge soll es gelingen, Lehrlinge langfristig in Österreich zu halten.
  • Vereinfachung und Vereinheitlichung der Anerkennung von Abschlüssen.
  • Digitalisierung und Beschleunigung des gesamten Antrags- und Bearbeitungsprozesses für Arbeitsmigration. 
Unsere Position

Es ist erfreulich, dass die Regierung Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte plant. Hierzu gehört etwa die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Anerkennung von Abschlüssen. Das Pilotprojekt für volljährige Lehrlinge ist positiv zu bewerten; eine dauerhafte Regelung, die andere in Österreich erworbene Abschlüsse inkludiert, wäre erstrebenswert.

Was es (mehr) braucht

Trotz des spürbaren Mangels an Fach- und Arbeitskräften hält Österreich an einer restriktiven Zuwanderung für Arbeitnehmer*innen fest. Die jüngsten Reformen der Rot-Weiß-Rot-Karte brachten wertvolle Erleichterungen, der Reformbedarf bleibt jedoch hoch. Verfahren müssen vereinfacht und verkürzt werden, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit erhöht werden. Ziel wäre eine verbindliche Klärung bereits vor der Antragstellung, damit Migrant*innen sicher sein können, dass ihre Abschlüsse in Österreich als abgeschlossene Berufsausbildungen gelten. 

Personen, die in Österreich einen Abschluss absolvieren, sollten zukünftig eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten können. Diese Option sollte nicht nur – wie im Regierungsprogramm vorgeschlagen – Lehrabschlüsse umfassen, sondern auch für vergleichbare Ausbildungen gelten. Ähnlich hilfreich wäre eine Regelung, die Asylwerber*innen selbst in Falle eines negatives Bescheides erlauben würde, während ihrer (meist dreijährigen) Ausbildung plus zwei anschließende Jahre Aufenthalt zu bekommen. Eine vergleichbare Regelung in Deutschland ist unter dem Titel „Drei Plus Zwei“ erfolgreich eingeführt worden.   

Weitere Reformen und Ergänzungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte wären erforderlich: So sollte schon die Berufstätigkeit in Mangelberufen für eine Karte qualifizieren – nicht erst der Abschluss einer Ausbildung. Zudem sollte die Bindung an bestimmte Arbeitgeber*innen gelockert werden. Das würde sowohl die Jobsuche als auch einen späteren -wechsel für die Arbeitnehmer*innen vereinfachen.

Will Österreich neue Arbeitskräfte nicht nur kurzfristig gewinnen, muss die Mitnahme von Familienmitgliedern vereinfacht werden. An dieser Stelle wird deutlich: Österreich begreift sich noch immer nicht als Einwanderungsland. Wie alle europäischen Staaten benötigt Österreich zugewanderte Fachkräfte, nicht zuletzt um das Pensions- und Sozialsystem zu stabilisieren. Eine Willkommenskultur kann die Voraussetzungen schaffen, dass Migrant*innen ihr Potenzial entfalten und erfolgreich an der Gesellschaft teilhaben. Ausreichende und flächendeckende Integrationsmaßnahmen tragen zu einem gelungenen Zusammenleben Aller in unserer Gesellschaft bei.

Weitere Infos

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