Freiwilligenarbeit

© STEFANIE J. STEINDL
Freiwilligenarbeit im Regierungsprogramm:
Engagiert, aber einseitig gefördert
Das Regierungsprogramm enthält wichtige Maßnahmen zur Stärkung des Freiwilligen Sozialen Jahres und setzt Investitionen in Rettungswesen, Blaulichtorganisationen und Sport. Diese Entwicklungen sind positiv. Gleichzeitig bleibt das freiwillige Engagement in anderen Bereichen – insbesondere im kirchlichen und sozialen Umfeld – weitgehend unberücksichtigt. Die zentrale Rolle von Freiwilligenkoordination und -management wird nicht anerkannt.
Nationale Freiwilligenarbeit
Regierungsprogramm
- Das Freiwillige Soziale Jahr soll gestärkt werden: durch bessere Bezahlung, sozialversicherungsrechtliche Absicherung, Anrechnung auf Ausbildungen, verstärkte Bewerbung und Prüfung der finanziellen Mittel.
- Ehrenamtliche Tätigkeiten sollen beim Medizin-Aufnahmetest anerkannt werden.
- Bürokratische Hürden in der Vereinsarbeit sollen abgebaut, Digitalisierung vorangetrieben und Vereinsveranstaltungen erleichtert werden.
- Für ehrenamtliche Helfer*innen wird der Ausbau von Versicherungen geprüft.
- Der Fokus liegt auf Ehrenamt im Sport, Rettungs- und Blaulichtbereich, dort sind auch Investitionen geplant (z. B. One-Stop-Shops für Förderungen, Verwaltungsvereinfachung, Digitalisierung).
- Das Freiwillige Soziale Jahr wird für Organisationen im Sport geöffnet.
Unsere Position
Die Attraktivierung des Freiwilligen Sozialen Jahres ist ein wichtiger Schritt – insbesondere die geplanten Verbesserungen bei Bezahlung und sozialrechtlicher Absicherung.
Allerdings profitieren Freiwillige in Caritas-Einrichtungen kaum von den genannten Maßnahmen. Die Schwerpunkte im Regierungsprogramm liegen klar im Sport- und Blaulichtbereich. Maßnahmen zur Stärkung freiwilligen Engagements im Sozialbereich fehlen fast vollständig.
Positiv zu werten ist die Prüfung besserer Versicherungsleistungen für ehrenamtliche Helfer*innen – sofern diese auch Sozialorganisationen wie die Caritas einbeziehen. Gleiches gilt für mögliche Digitalisierungsmaßnahmen, sofern sie nicht auf Vereinsarbeit beschränkt bleiben.
Was es (mehr) braucht
- Anerkennung und Finanzierung professioneller Freiwilligenkoordination: Diese ist ein zentraler Erfolgsfaktor – besonders angesichts flexiblerer, kurzfristiger Einsatzformen.
- Einbezug sozialer Organisationen in Förderlogiken: Der Sozialbereich braucht gezielte Unterstützung in Form von Fonds, Förderschwerpunkten oder abrechenbaren Leistungen.
- Niederschwellige Formate für mehr Teilhabe: Menschen mit Beeinträchtigungen oder aus vulnerablen Gruppen sollen gezielt eingebunden werden können – dafür braucht es passende Rahmenbedingungen.
- Gesamtgesellschaftliche Anerkennung: Es braucht politische Strukturen (z. B. einen Regierungsbeauftragten), regelmäßige Berichte und eine konsequente Umsetzung der Freiwilligenstrategie.
- Integration von Sozialem Lernen: In Schulen, Ausbildungen und Hochschulen sollen Engagement und Service Learning-Modelle fest verankert werden.
- Sichtbarkeit und Partizipation: Freiwilligenarbeit ist ein Beitrag zur Demokratie – partizipative Modelle im Freiwilligenmanagement und die Selbstorganisation der Freiwilligen sollten gefördert werden.
- Strukturelle Mitgestaltung: Zivilgesellschaft und Freiwilligenorganisationen müssen bei politischen Weiterentwicklungen aktiv eingebunden werden.
Ökonomische Rahmenbedingungen stärken
Freiwilliges Engagement soll unentgeltlich bleiben. Eine zunehmende Monetarisierung wäre kontraproduktiv. Gleichzeitig braucht es Rahmenbedingungen, um Engagement besser mit Ausbildung und Erwerbsarbeit vereinbaren zu können.
- Steuerliche Begünstigungen – besonders für Menschen mit niedrigen Einkommen.
- Förderung von Unternehmen, die Freiwilligenzeit unterstützen.
- Bildungsschecks und Weiterbildungsmöglichkeiten für Freiwillige.
- Bezahlte Beurlaubungen für in Ausbildung befindliche junge Erwachsene (max. fünf Tage, analog zu Modellen in der Schweiz oder Deutschland).
- Fahrtkostenersatz oder Freifahrten, v. a. im ländlichen Raum, insbesondere für junge und einkommensschwache Personen.
Internationale Freiwilligeneinsätze
Regierungsprogramm
- Internationale Freiwilligeneinsätze werden nicht explizit genannt, rechtlich sind sie im Freiwilligengesetz geregelt.
- Die Attraktivierung von Freiwilligem Sozialjahr und Zivildienst (z. B. durch bessere Bezahlung oder Anrechenbarkeit) könnte indirekt auch internationale Programme stärken.
- Austauschprogramme (z. B. Erasmus+) sollen ausgebaut werden.
Unsere Position
Friedens-, Gedenk- und Sozialdienste im Ausland werden nicht direkt erwähnt, haben aber durch die Reform des Freiwilligengesetzes 2024 mehr rechtliche Sicherheit und Mittel erhalten. Die gesetzlich verankerte Erhöhung der Fördermittel ist ein wichtiger Schritt.
Was es (mehr) braucht
- Eine gesetzlich festgelegte Inflationsanpassung der Fördermittel, um die Planbarkeit zu erhöhen.
- Mehr politische Sichtbarkeit für internationale Freiwilligeneinsätze.
- Langfristige Absicherung und strategische Weiterentwicklung dieser Programme.
Fazit: Die Caritas begrüßt einzelne Maßnahmen im Regierungsprogramm – vor allem zur Stärkung des Freiwilligen Sozialjahres. Doch das soziale freiwillige Engagement in Österreich braucht mehr: breitere Anerkennung, faire Rahmenbedingungen und gezielte Investitionen in Koordination, Teilhabe und gesellschaftlichen Mehrwert.
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