Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe

Entwicklungspolitik im Regierungsprogramm:

Bekenntnisse mit Schattenseiten

Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und die Humanitäre Hilfe sind klare Bestandteile im Regierungsprogramm und das ist gut so: Denn Österreich ist als kleines Land auf eine regelbasierte Weltordnung angewiesen. So gibt es ein Bekenntnis zur aktiven Neutralität, zum internationalen Recht, zur Stärkung des Multilateralismus, zu den Menschenrechten und zur Umsetzung der SDGs. Gleichzeitig sehen wir auch kritische Verschiebungen: migrations- und wirtschaftspolitische Interessen rücken stärker in den Fokus und könnten notwendige Mittel für die wichtigsten Aufgaben der Entwicklungspolitik - den Kampf gegen Armut und weltweite Ungleichheit – verlegen. Vieles bleibt vage – wie so oft, kommt es auf die Umsetzung an.

Entwicklungspolitik, Humanitäre Hilfe

Entwicklungspolitik im Regierungsprogramm: Zwischen globaler Verantwortung und nationalem Eigeninteresse

Regierungsprogramm
  • Bekenntnis zur EZA als Instrument der Armutsbekämpfung, Friedensförderung und Umweltschutz (wie im EZA-Gesetz festgeschrieben).
  • Bekenntnis zum UN-Ziel, 0,7 % des BNE für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit als gesamtstaatliche Aufgabe, inkl. angemessener Dotierung des Auslandskatastrophenfonds (AKF).
  • Leitprinzipien sind Selbstbestimmung der Partnerländer, soziale Mindeststandards, Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion.
  • Umsetzung der SDGs
  • Fokus auf Migration („damit Menschen nicht gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen“) und Verknüpfung von Hilfe an gemeinsame Ziele mit Partnerländern.
  • Nutzung der EZA zur Erschließung neuer Märkte für österreichische Unternehmen (unter Erfüllung der SDGs) (im Sinne eines „wohlverstandenen Eigeninteresses“)
  • Evaluierung bilateraler vs. multilateraler EZA
  • Fortsetzung des Nahrungshilfe-Übereinkommens des World Food Programmes
  • Nennung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit
  • Stärkung multilateraler Zusammenarbeit (UNO, EU).
Unsere Position

Das Regierungsprogramm enthält wichtige positive Bekenntnisse zu EZA, humanitärer Hilfe, Bildungsarbeit und internationaler Zusammenarbeit. Sorgen bereiten jedoch die starke Verknüpfung mit Migrationssteuerung und wirtschaftlichen Interessen, die einer bedarfsorientierten und menschenrechtsbasierten Entwicklungspolitik zuwiderlaufen.

Obwohl das Bekenntnis zur Armutsbekämpfung genannt wird, vermissen wir einen klaren Fokus auf die ärmsten Länder weltweit. Die stärkere Verknüpfung mit Migrationssteuerung und wirtschaftlichen Interessen spiegelt eine besorgniserregende Tendenz auf EU-Ebene wider. Sie könnte einen entwicklungspolitischen Paradigmenwechsel von einer bedarfsorientierten und menschenrechtsbasierten EZA zu einer von geopolitischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen geleiteten Außenpolitik verstärken. Die langfristige Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe, die ganz wesentlich für ein würdevolles Leben für alle sind und wichtige Beiträge zur weltweiten Stabilität leisten, müssen gesichert bleiben. 

Uns fehlt ein eindeutiges Bekenntnis zur Austrian Development Agency (ADA) und der wichtigen Rolle der lokalen Zivilgesellschaft für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Stärkung von Demokratien. Der Auslandskatastrophenfonds (AKF) wird genannt, doch bleibt unklar, was unter „ausreichender Dotierung“ zu verstehen ist. Es wird wichtig sein, rasch Schritte für die strategische Planbarkeit und Flexibilität zu setzen.

Was es (mehr) braucht
  • Ein klarer Fahrplan zur Erhöhung der österreichischen Entwicklungsgelder:
    Österreich soll – wie international vereinbart – 0,7 % seines Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Dafür braucht es einen gesetzlich verankerten Stufenplan, mit einem Zwischenziel auf EU-Durchschnittsniveau (derzeit 0,47 %).
  • Mehr Mittel für die ärmsten Länder der Welt:
    Für die ärmsten Länder weltweit (sogenannte LDCs – Least Developed Countries) soll im Einklang mit den SDGs eine eigene Zielquote festgelegt werden: mindestens 0,15–0,2 % des BNE.
  • Stärkung der zentralen Akteure:
    Es braucht ein klares politisches Bekenntnis zur Austrian Development Agency (ADA) und zur zivilgesellschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, sowohl in Österreich als auch in den Partnerländern.
  • Verlässliche Finanzierung für nachhaltige Hilfe:
    Die Entwicklungsfinanzierung soll gesetzlich abgesichert und der Auslandskatastrophenfonds (AKF) mit einem planbaren und mehrjährigen Budget ausgestattet werden.
  • Mehr Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung:
    Damit Entwicklungspolitik Wirkung zeigt, braucht es eine enge Abstimmung mit anderen Bereichen wie Handel, Klima, Migration oder Landwirtschaft. Negative Auswirkungen österreichischer Politik auf Länder des Globalen Südens müssen vermieden werden – etwa durch eine koordinierte Zusammenarbeit der Ministerien.
  • Zivilgesellschaft schützen und stärken:
    Der zunehmende „shrinking civic space“ weltweit macht ein verstärktes Engagement für demokratische Zivilgesellschaften notwendig – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene.