Michael Zündel, Mitarbeiter der Auslandshilfe Caritas Vorarlberg, war im Juni 2018 in Äthiopien und berichtet von den Menschen, die er vor Ort getroffen und den Geschichten, die er gehört hat. Wie geht es den 2017 unterstützten Familien in der Region Borana jetzt? Michael Zündel erzählt…
Von Michael Zündel. Dieser Beitrag ist Teil des Blogs "Für eine Zukunft ohne Hunger".
Schon bei der Ankunft in Borana bietet sich uns ein völlig anderes Bild als ein Jahr zuvor. War damals alles ausgetrocknet und verdorrt, so erleben wir die Region diesmal grün. Das Gras für die Kühe, Schafe und Ziegen steht üppig, die Teiche und Wasserstellen sind voll. In diesem Jahr ist der Regen nicht ausgeblieben. Langsam entspannt sich die Lage für die Menschen hier, die im Zuge der Dürre im letzten Jahr einen Großteil ihres Viehs verloren haben.
Wir fahren nach Qotile, eines der Dörfer, in denen unsere Nothilfemaßnahmen umgesetzt werden und besuchen die Familien, die wir auch vor einem Jahr besucht haben. Wie haben sich die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise bewährt?
Cash-For-Work-Programm als Lebensretter
Die 30-jährige Kashu Roba erzählt uns, dass das Geld, das sie beim Cash-For-Work-Programm verdient hat, das Leben ihrer Familie und ihr eigenes gerettet hat. Sie konnte sich damit genug Mais kaufen, um zu überleben und auch Medikamente für die Kinder, die aufgrund der Mangelernährung über Monate hinweg krank waren. Die beiden Kühe, die sie besaß, sind verendet. Um eine neue Kuh zu kaufen, fehlt ihr jedoch das Geld. Kashu hat sich ein wenig Kaffee und Tee gekauft und versucht, durch den Weiterverkauf ein bisschen Geld zu verdienen.
Eine würdige Feier für den Sohn
Die 20-jährige Loko Dida hat einen drei Jahre alten Sohn, ihr Erstgeborener. Es ist Brauch der Borana, dass bei der Namensfeier des ersten Sohnes ein großes und aufwändiges Fest gefeiert wird, das sehr viel kostet. Daher haben Loko und ihr Mann einen Teil des Geldes, das sie bei der Arbeit im Cash-For-Work-Programm verdient haben, zurückgelegt, um für ihren Sohn – trotz Dürre und kritischer Lebensumstände – eine würdige Feier veranstalten zu können. Mit dem verbliebenen Teil kaufen sie Mais und Öl, um ihre Familie ausreichend ernähren zu können.
Genügend Geld für Medikamente
Die 60-jährige Dima Boru hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkel, die im Herbst alle sehr krank wurden. Für die Medikamente, die sie kaufen musste, hat sie zwei Monatsgehälter ausgegeben. Den Rest hat sie in Lebensmittel investiert, um nicht hungern zu müssen. „Ich weiß nicht, wie meine drei Enkel und ich ohne das Einkommen im Cash-For-Work-Programm überlebt hätten.“
Die Folgen der Krise im Vorjahr sind merkbar
Es ist sehr erfreulich, dass alle Befragten berichten, dass sie vom Cash-For-Work-Programm profitiert haben. Aber auch wenn es heuer genug geregnet hat und sich die Region Borana grün präsentiert, gibt es noch immer sehr viele hungernde Menschen. Denn aufgrund der Dürre im letzten Jahr kalben nur wenige Rinder - und hier geben die Kühe nur dann Milch. Besonders den Kindern fehlt die Milch. Eine weitere Folge der Krise sind die stark gestiegenen Preise für alle Lebensmittel und Medikamente. Die Menschen werden einen langen Atem brauchen, bis sich wieder Normalität einstellen wird.